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Nutzung illegal kopierter Kontodaten durch Steuerfahnder

Steuerfahnder dürfen illegal kopierte Bank- und Kontodaten zur Verfolgung von Steuerhinterziehung nutzen

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Az. 33696/11)

Ist Steuerhinterziehung ein Menschenrecht? Ganz sicher nicht, auch wenn viele es gerne so hätten. Und so ist es recht verwunderlich, dass ein Fall, in dem es um die Aufdeckung von Straftaten im Bereich der Steuerhinterziehung geht, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt wird. Doch genau das wurde im vorliegenden Fall zur Realität – ein Paar von Steuerpflichtigen, bei dem eine Steuerhinterziehung vermutet wurde, sah sich durch die Methoden zur Ermittlung seiner persönlichen Daten in seinen Menschenrechten verletzt.

Hier die genauen Details zu diesem durchaus brisanten Fall und das durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gesprochene Urteil:

Viele Steuerpflichtige können sich sicher noch an die berüchtigten Fälle der sogenannten Steuer-CDs aus der Schweiz, aus Liechtenstein etc. erinnern. Vor einigen Jahren entbrannte die Debatte darüber, ob es rechtens und moralisch vertretbar ist, dass der deutsche Staat illegal kopierte Steuerdaten ankauft, mit deren Erlangung der Betreffende eine Straftat begangen hat.

Das größte Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang ein Fall aus dem Jahr 2006, als der Bundesnachrichtendienst eine CD mit illegal beschafften bzw. kopierten Steuerdaten von einem Ex-Mitarbeiter einer Liechtensteiner Bank angekauft hatte. Auf dieser CD befanden sich die Daten von ca. 800 deutschen Steuerzahlern, die offensichtlich durch die Verschiebung von Geldern ins Ausland Steuern hinterzogen hatten. Die CD wurde im Anschluss vom Bundesnachrichtendienst an die Staatsanwaltschaft Bochum übergeben, welche umgehend die Ermittlungen aufnahm. In diesem Zuge wurde auch das Haus eines Ehepaares in Bayern durchsucht, von dem man annahm, dass es beträchtliche Steuerbeträge durch die Verschiebung von Kapital nach Liechtenstein hinterzogen habe. Im Rahmen der Hausdurchsuchung wurden mehrere Computer und ein Ordner mit Bankunterlagen beschlagnahmt.

Der Fall ging anschließend vor das Landgericht Nürnberg, welches das Ehepaar freigesprochen hatte. Doch bereits zuvor hatten die Eheleute gegen die Hausdurchsuchung und die Beschlagnahmung ihres Eigentums geklagt. Begründung: Die entsprechenden Grundlagen hierfür beruhen auf illegal beschafften Daten, was ihrer Meinung nach nicht rechtmäßig sei. In Deutschland scheiterten die Eheleute jedoch mit der Klage in sämtlichen Instanzen.

Im weiteren Verlauf wandten sie sich an das Bundesverfassungsgericht und reichten dort eine Beschwerde ein. Doch auch hier hatten sie keinen Erfolg. Zwar ließ das Gericht die Frage offen, ob der Ankauf einer solchen CD rechtswidrig sei, doch die Richter stellten fest, dass selbst bei einer Rechtswidrigkeit die dadurch erlangten Daten zur Strafverfolgung verwendet werden dürften. Ein sogenanntes Beweisverwertungsverbot, welches Voraussetzung zu einer Nichtverwendung der Daten wäre, könne in Deutschland nur bei schwersten Menschenrechtsverletzungen und einer systematischen Missachtung der Gesetze ausgesprochen werden.

Da sich die Kläger auch mit dieser Begründung nicht zufriedengeben wollten, reichten sie Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Doch auch der Europäische Gerichtshof konnte den Klägern kein anderslautendes Urteil bescheren. Die Richter betonten: Eine Verwendung der Steuer-CD für die Strafverfolgung sei legal, vorhersehbar und verhältnismäßig gewesen. Auch gäbe es keine Hinweise auf einen absichtlichen und systematischen Bruch der deutschen Gesetze. Vielmehr seien die deutschen Gerichte im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums geblieben, eine Verletzung der Menschenrechte der Kläger sei daher nicht erkennbar.

Zum hier gesprochenen Urteil muss allerdings angemerkt werden: Es bezog sich lediglich auf den ersten Kauf einer sogenannten Steuer-CD. In der Folge hatte insbesondere das Bundesland Nordrhein-Westfalen mehrfach solche CDs angekauft. Die Folgen waren eine Flut von Selbstanzeigen und steuerliche Mehreinnahmen in Höhe von rund 2,3 Milliarden Euro.

Übrigens: Eine abschließende gerichtliche Entscheidung, nach der ein Ankauf von illegal kopierten Steuerdaten zulässig ist, lässt bis heute auf sich warten. Zwar hat der Bundestag in Jahr 2015 eine neue gesetzliche Regelung im Strafgesetzbuch verankert, in deren Rahmen das neue Delikt der „Datenhehlerei“ eingeführt wurde, dieses soll jedoch nicht für Handlungen gelten, die mit der Strafverfolgung von Steuerdelikten in Zusammenhang stehen.